Die weiße Madonna für uns alleine

Auf den Gipfel des Gran Paradiso (4061 m)

Nach ein paar Jahren der Hochtouren-Enthaltsamkeit reizte mich wieder die Vision, in Schnee und Eis unterwegs zu sein, zu Jahreszeiten wo andere am Badesee schmachten. Da kam das Tourenangebot von Bernd gerade recht. Nach ein paar Recherchen im Internet war klar, der Grand Paradiso gilt als einfache Hochtour und liegt sogar über der 4000er-Grenze, mein erster 4000er. Also, schnell angemeldet und in Vorfreude auf weitere Informationen gewartet. Offensichtlich sahen das auch andere so – Bernd wurde mit Anmeldungen überrannt.

Wie üblich begann auch diese Tour mit einer langen Autofahrt. Es ging durch die westliche Schweiz, am Genfer See entlang, durch den Großen St. Bernhard-Tunnel bis ins italienische Valsavarenche in den Grajischen Alpen. Unterwegs in Bern legten wir eine kleine Stadtrundfahrt durch dessen Unterwelt ein, bis wir die Abzweigung zum Bahnhofsvorplatz fanden, wo Hajo auf uns wartete. Am Zielort, Parkplatz in Pont, warteten Biggi und Fritze auf uns, die sich schon auf die Berge eingestimmt hatten.

Den Aufstieg zum etwas futuristisch wirkendem Rifugio Vittorio Emanuele II. (2375 m) schafften wir bei bestem Bergwetter in etwas mehr als 2 Stunden. So konnten wir in aller Ruhe die Ankunft genießen und uns in dem italienischen Ensemble an Hütten, Schuppen und Containern zurecht finden. Nach einem gemütlichen Abend in der gut ausgelasteten Hütte verzogen wir uns in unsere Zelle im Schlafcontainer.

Der Gipfeltag begann mit dem Wecker kurz vor 04:00 Uhr. Beim Frühstück war schon absehbar, dass die gesamte Hütte auf den Grand Paradiso will und alle auf eine gute Startpositionen hofften. Als wir um 04:45 Uhr los gingen, waren wir nicht mehr die Ersten. Im anfänglichen Blockgelände hat sich das Feld schnell auseinander gezogen, sodass wir später unser Tempo gehen konnten ohne durch andere Gruppen gestört zu werden. Kurz vor Sonnenaufgang kamen wir am Gletscher an und konnten das Schauspiel der aufgehenden Sonne über dem Gletscher mit erleben. Auf dem Gletscher zeigt sich schnell der schwerste Gegner des Tages: die Kälte. Über den Gletscher blies ständig ein eisiger Wind, das Wasser im Trinksystem war gefroren und die Pausen wurden sehr kurz gehalten. Der Aufstieg auf dem Gletscher führte über den Eselsrücken (Schiena d’Asino) und am Becco di Moncorvé vorbei bis kurz unterhalb des Gipfels. Dort ging es im Fels die letzten 10 Höhenmeter über einen Klettersteig hoch zum Gipfel. Nach 4,5 Stunden Aufstieg standen wir auf dem Gipfel und hatten die Madonna für uns alleine. Wunderlicherweise war es dort sogar windstill, sodass wir in Ruhe die Aussicht rund um den Grand Paradiso genießen konnten. Der Abstieg führte uns zuerst an der berüchtigten Schlüsselstelle vorbei, die inzwischen durch gute Bohrhaken entschärft aber immer noch ausgesetzt und luftig ist. Unterhalb des Gipfelaufbaus sammelten wir wieder Fritze ein, welcher der Kälte wegen die Felskletterei aus lies und im kalten Wind verharrte. Der Abstieg führte uns über denselben Weg zurück zur Hütte, wo wir kurz nach 13:00 Uhr wieder ankamen. Den Nachmittag verbrachten wir der Jahreszeit entsprechend mit Chillen auf der Sonnenterrasse und Schwimmen im Hüttensee. Ja, zwei ganz Verwegene schwammen im Lago di Montcorvè.

Nach erfolgreicher Motivationsarbeit durch Bernd („Jetzt gäbe es noch die La Tresenta. Aber schaut doch, das ist nur ein Schutthaufen aus Blockgestein und Schotter. Wollt ihr da wirklich rauf?“) sind wir am dritten Tag wieder zum Parkplatz abgestiegen und haben die touristische Seite von Aosta besucht. Auch dort blieben wir unserem Motto treu: Schutthaufen wie das Amphitheater aus römischer Zeit haben wir ignoriert und italienische Eis und Pizza aufgesucht. Dann blieb wieder die lange Autofahrt zurück nach Rottenburg. Im Gegensatz zur dunstverhangenen Hinfahrt sahen wir nun die schönen Landstriche die wir passierten und fanden in Bern die Abzweigung zum Bahnhof auf Anhieb.

Wir danken Bernd für die hervorragende Organisation und umsichtige Führung dieser schönen Bergtour. Wieder zu Hause angekommen, habe ich mir zuerst warme Handschuhe besorgt – was mitten im Sommer gar nicht so einfach war. Gebraucht habe ich sie bei der darauf folgenden Gletschertour doch nicht.


Termin: 12.07. – 14.07.2019
Organisation/Führung: Bernd Widmann
Teilnehmer: Biggi, Caroline, Friedbert, Fritze, Hajo, Markus
Bericht: Friedbert Widmann