Silvrettapanorama

From Sea to Summit — oder so ähnlich

Hochtourenkurs auf der Silvrettahütte

Dass Berge und Meer manchmal gar nicht so weit auseinander liegen, zeigte sich bei unserem Vortreffen in der Rottenburger Beachbar. Eine urige Berghütte wäre gemessen an dem Kursinhalt „Hochtour“ vielleicht etwas passender gewesen, aber da war eben gerade keine verfügbar. Einziges Manko: Die wohl-gemeinten karibischen Sounds schallten leider so laut aus dem Lautsprecher über unseren Köpfen, dass an VorbeSPRECHUNG leider nicht zu denken war. Kurzerhand zeigte unser Kursleiter Sebastian alias „Truffi“ seine pragmatische Ader und machte Nägel mit Köpfen. Bei dem Versuch, den Lautsprecher möglichst unauffällig abzustellen hatte er ihn dann zwar plötzlich in der Hand, aber hey: Ziel erreicht. Das hat man nun von trainierten Oberarmen… (Dass wir schnell feststellen mussten, dass dies leider auch der einzige Lautsprecher im Außenbereich war und dank unseres genialen Schachzugs nun sämtliche Gäste statt Loungemusik nun die Rottenburger Stille genießen durften, sei an dieser Stelle elegant übergangen).

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Wir hatten also die Gelegenheit, uns als Kurs das erste Mal zu beschnuppern. Allzu tief musste aber nicht gegraben werden, um gleich einmal festzustellen: Ich war mal wieder die Quotenfrau in der Truppe. Und mir stellte sich direkt die Frage, ob der DAV da eigentlich interne Vorgaben einhalten muss, um auch die Minderheit „Frau am Berg“ ausreichend vertreten zu wissen. Den Abend verbrachten wir dann mit dem Durchgehen der Ausrüstungsliste, dem Bilden von Fahrgemeinschaften und der Beantwortung der Frage wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Zehn Tage später war es dann schon soweit und in aller Herrgottsfrühe machten wir uns auf in Richtung Schweiz mit dem Ziel Silvrettahütte SAC (2341m). Nach circa drei Stunden Autofahrt trafen wir uns aber erst einmal an einer Tankstelle kurz nach der Schweizer Grenze, um von drei auf zwei Autos umzusatteln. Eine willkommene Pause, um den Energievorrat mit Müsli und Brotstulle aufzufüllen und die Blase zu leeren, dachten wir zumindest. In der nächsten halben Stunde beobachte ich amüsiert, wie sich einer nach dem anderen motiviert in Richtung Tankstellen-Häuschen aufmachte, um das stille Örtchen aufzusuchen – nur gab es da leider keins. Demnach wurde das kleine Gebäude von unserer Truppe insgesamt circa 20-mal umrundet und die arme Angestellte ein ums andere Mal nach dem Standort der Toilette befragt (vermutlich hat sie bereits nach dem 10. Mal in 20 Minuten angefangen nach der versteckten Kamera zu suchen).

Circa 15 „missglückte Klogänge“ und ungefähr 30 Minuten später ging es weiter zu unserem eigentlichen Ziel, dem schönen Davos – Klosters. Dort angekommen beanspruchten wir erst einmal eine beachtliche Fläche des örtlichen Wanderparkplatzes für uns, um eine umfangreiche Materialsichtung, -verteilung und -packaktion abzuhalten. Kaum war dies erledigt, kam auch schon das Großraumtaxi, das uns zur Alp Sardasca brachte und somit die ersten (und wenig ereignisreichen) 10 km ersparte. Von dort aus ging es dann circa 1,5 h hinauf zur Silvrettahütte, wo wir direkt unsere Zimmer beziehen und die ersten Kaltgetränke bestellen konnten. Mit leichteren Rucksäcken und einem zweiten Motivationshoch machten wir uns dann zum ersten Mal auf zum oberhalb liegenden Gletscher. Der erste Blick auf diesen zeigte die Nachwirkungen des schneereichen Winters in ihrer ganzen Pracht. Vom eigentlichen Gletscher war nicht allzu viel zu sehen. Nur an zwei kleinen Stellen war die Schneeschicht soweit abgetaut, dass das Blankeis zum Vorschein kam. Das Übungsgelände der nächsten Tage war demnach schnell bestimmt.

Nach einem kurzen Abstecher zur Roten Furka ging es dann zurück zur Hütte, nicht ohne dabei zum ersten, aber gewiss nicht letzten Mal eine erfrischende Dusche vom Himmel zu genießen. Nach dem sehr guten und vor allem üppigen Abendessen nutzen wir die Regenpause dann noch zu für eine Runde Knotenkunde auf der Hüttenterrasse und machten es uns anschließend in der Stube gemütlich.

Allzu viel war nicht los auf der Hütte und auch hier ließ sich die Anzahl der anwesenden Damen ohne Probleme an einer Hand abzählen. Doch das hatte durchaus seine Vorteile. So genoss ich die Ruhe im Waschraum und den Luxus, ausnahmsweise als einzige mal nicht an der Toilette anstehen zu müssen – ganz im Gegensatz zu meinen männlichen Begleitern.

Am nächsten Morgen ging es früh heraus aus den gemütlichen Betten und nach dem Frühstück machten wir uns bei noch wolkenverhangenem Himmel erneut auf zum Gletscher. Dort steuerten wir zielsicher die circa 20 m2 Blankeis im unteren Teil an und nutzen diese ausgiebig für Gehübungen mit Steigeisen und Pickel. Nachdem wir gefühlt jeden Zentimeter der Übungsfläche fünfmal umrundet hatten, wechselten wir auf das obere, steilere Stück aperen Gletscher und führten dort unsere Übungen fort, bis ein starker Regenschauer den Spaß jäh beendete. Also übten wir uns stattdessen im Imitieren von Pinguinen und verbrachten die nächsten 20 Minuten im engen Stehkreis und im Kampf gegen die auf uns einströmenden Naturgewalten. Nass und kalt traten wir schließlich den Rückweg zur Hütte an, wo wir den restlichen Tag trotz immer wiederkehrenden Regen dann mithilfe von Balkonpfeiler und Feuerholz mit ersten „Trocken-Übungen“ (haha) zur Spaltenbergung füllten.

Diese setzten wir dann am nächsten Tag auf „unserem Stückchen“ Eis in einem authentischeren Übungsgelände fort und spielten im Rotationsprinzip alle möglichen Szenarien durch – schließlich sollte ja jeder einmal in den Genuss einer gemütlichen Hängepartie in unserer kleiner, aber feinen Übungsspalte kommen. Nach getaner Rettungsarbeit wechselten wir vom Blankeis auf ein steiles Schneefeld in unmittelbarer Umgebung und beschäftigten uns mit den unterschiedlichsten Rutschszenarien (Pinguinlevel: 3.000) und eigentlich viel wichtiger: den verschiedenen Techniken, um diese Rutschpartie auch wieder zu stoppen. Wie zu erwarten beendeten wir diese Übungen nicht gerade in trockenem Zustand und so machten wir uns mal wieder auf den Rückweg zur Hütte. Dort angekommen nutzen wir den großen Felsbrocken neben unserer Behausung noch für Kletter- und Abseilübungen, bevor wir uns erschöpft aber zufrieden in der gemütlichen Stube niederließen (draußen hatte es mittlerweile auch mal wieder zu regnen angefangen). Dort war es mit der Ruhe leider auch dahin, war doch während unserer Felsbesteigung gleich eine ganze Schulklasse in der Hütte eingelaufen. Von da an musste ich mir den Waschraum mit einer Horde pubertierender Mädels und deren vielschichtiger Probleme teilen, was zwar lang nicht mehr so gemütlich aber mindestens genauso amüsant war.

Nach langen Überlegungen, ausgiebigem Studieren von Tourenführer und Karte sowie der ein oder anderen geführten Diskussion stand dann auch der Gipfel für unsere Abschlusstour fest: Wir wollten den Kurs mit der Besteigung des Silvrettahorns (3244m) beenden – und zwar über den wenig begangenen Nordwestgrad.

Gesagt, getan. Nachdem uns in aller Frühe die Wecker unsanft aus dem Schlaf rissen, stiegen wir zuerst erneut zur Roten Furka auf und querten anschließend über steile Schneeflanken zum Klostertaler Gletscher hinüber. Dessen Rücken erklommen wir bis zum höchsten Punkt und kämpften uns über Geröllfelder in Richtung Schneeglocke hinauf. Dort folgten wir dem teils luftigem Grad in Richtung Silvrettahorn. Bei einer besonders steilen Stelle entschieden sich Sebastian und Herrmann (wohl auch aufgrund unserer etwas angespannten Gesichter) zur Einrichtung eines Fixseiles und so durften wir die am Vortag erlernten Fähigkeiten direkt in die Tat umsetzen. Nach dem Queren eines weiteren Schneefeldes und einem letzten steilen Gipfelanstieg standen wir schließlich alle wohlbehalten und glücklich auf dem Silvrettahorn – zwar leider nicht über, sondern in den Wolken, aber was soll’s.

Trotz des nicht immer optimalen Wetters konnten wir definitiv das Beste aus unseren vier Tagen am Silvrettagletscher machen und haben es geschafft, alle geplanten Kursinhalte zu behandeln und das Meiste direkt in einer schönen Abschlusstour anzuwenden. Vielen Dank an Sebastian und Herrmann für den gelungenen Kurs.

Organisation: Sebastian „Truffi“ Truffner & Hermann Elsenhans
Bericht: Nina L.
Termin: 6.-7. Juli