Über die Höhen des Grindenschwarzwald

Grindenschwarzwald – Eine von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft

Dumm gelaufen: ausgerechnet heute fand eine Eingehtour der Bergtouren-Geher mit Moni und Gerhard ebenfalls im Schwarzwald statt. Das war natürlich starke Konkurrenz. Wir waren dennoch acht Leute, die sich morgens an der Klause fanden.

Mit zwei Autos ging es dann hoch auf die Schwarzwaldhochstraße zum Ruhestein, dem künftigem Zentrum des neuen Nationalparks.

GrindenschwarzwaldUnd hier wurden wir auch gleich mit der Auseinandersetzung um diesen Nationalpark konfrontiert: Bauern und Forstbesitzer aus Baiersbronn sammelten sich gerade mit ihren Traktoren und Protesttransparenten hier am Naturschutzzentrum, um stimmgewaltig gegen die Nationalparkpläne der Landesregierung zu demonstrieren. Das konnte aber unsere Pläne nicht aufhalten und so ging es entlang der natürlich schneefreien Skiabfahrtpiste auf Serpentinen-Pfaden hoch auf den 1054 m hohen Seekopf.

Dort waren wir bereits mitten drin in den Grinden, einer von Menschenhand geschaffenen Kulturlandschaft: hier wurden früher die vorhandenen Baumbestände gebrandrodet und die Rinder und Schafe aus den Tälern zum Weiden hergetrieben. Dadurch entstand im Laufe der Jahrhunderte schließlich durch Nährstoffverlust und Bodenverdichtung nach Rückzug der Viehwirtschaft eine nasse, moor- und heide-ähnliche Landschaft mit einer charakteristischen, in Deutschland einmaligen Grindenökologie, die heute einer Vielzahl von seltenen Arten aus Fauna und Flora einen geschützten Lebensraum bietet. Um diesen Lebensraum weiter zu erhalten und zu schützen, soll hier der Nationalpark errichtet werden.

Unsere Wanderung über den Seekopf eröffnete uns bald einen grandiosen Blick zum Wildsee (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen See im Hochmoor von Kaltenbronn bei Bad Wildbad), fast 150 m steil unter uns gelegen und fast kreisrund. Es handelt sich um einen der zehn im Schwarzwald verbliebenen Karseen, die durch Gletscherbildung in der Würm-Eiszeit entstanden sind und zunehmend zu verlanden drohen. Der See ist umgeben von dichten Bannwäldern, Waldschutzgebiete, in denen jegliche Forstwirtschaft und Eingriffe in die Ökologie verboten sind und die damit zu künftigen Urwäldern werden sollen.

Wir verkniffen uns den beschwerlichen Abstieg zum See und erreichten nach kurzer Zeit das Euting-Grab. Hier liegt seit genau 100 Jahren Julius Euting begraben, Orientalistik-Professor, Arabienforscher, Direktor der Universitätsbibliothek Straßburg, Präsident des Vogesenclubs und Schwarzwaldliebhaber. Er hat sein Grab schon 8 Jahre vor seinem Tod 1913 selbst angelegt, gepflegt wird es von der Julius-Euting-Gesellschaft, die jährlich an seinem Geburtstag (11. Juli) zu seinen Ehren jedem vorbeikomenden Wanderer einen arabischen Mokka zubereitet und anbietet. (Zitat Julius-Euting-Gesellschaft: „In seinem in der Universitätsbibliothek Tübingen verwahrten Reisetagebuch über seine „Reise nach Inner-Arabien“ schildert er ausführlich, wie umständlich und fast zeremoniell an den Feuerstellen Arabiens ein echter Beduinen-Mokka zubereitet wird. Das Zusehen und Warten ist für die Söhne der Wüste ein Teil des Genusses. Für sie gibt es keinen Besuch und keine Einladung ohne einen Kaffee aus den kleinen henkellosen Tässchen.“ )

Heute mußten wir unseren Kaffee selber mitbringen. Der Weg führte weiter über den Westweg, einem der großen Weitwanderwege durch den Schwarzwald von Nord nach Süd, vorbei an der Darmstädter Hütte um den Altsteigerkopf herum. An dessen Westflanke haben wir den Westweg in Halbhöhenlage schließlich verlassen und sind auf die Kammhöhe hoch gewandert. Hier mußten wir nicht auf den geschotterten breiten Wegen gehen, die nach dem Orkan „Lothar“ (1999) angelegt wurden, sondern konnten auf Naturpfaden die phantastischen Ausblicke nach Westen genießen, die der Orkan hier als positiven Nebeneffekt der angerichteten Zerstörung hinterlassen hat. Die Blicke gingen über Seebach, Ottenhöfen und das Achertal bis hinein ins Rheintal, und reichten bis nach Straßburg und die dahinter liegenden Vogesen.

Die wenig begangenen abseitigen Wege waren feucht und führten im leichten Auf und Ab durch eine sehr schöne Heidelandschaft, bis wir schließlich die Skipiste des Seibelseckle erreichten und wieder auf den Westweg stießen. Hier war schließlich Vesperzeit angesagt.

Danach ging es in Hörweite der viel befahrenen Schwarzwaldhochstraße über Waldwege zum Mummelsee. Dieser größte Schwarzwald-Karsee ist aufgrund seiner Lage direkt an der Hochstraße, der vielen ausgebauten Parkplätze, und des dort befindlichen Mummelsee-Hotels an schönen Tagen natürlich hoffnungslos überlaufen. Hier wird neben Schwarzwälder Schinken, frisch gebackenem Holzofen-Brot, Kuckucksuhren, Souvenirs und allem möglichen billigem, aber teuer verkauftem Schnickschnack alles geboten, was der gemeine Schwarzwald-Tourist so begehrt, und so ist der wunderschöne Mummelsee leider zum „Rummelsee“ verkommen. Wir hielten uns daher auch gar nicht lange dort auf (dennoch meine Empfehlung für jeden, der den See nicht kennt, ihn einmal an einem ruhigen Werktag zu besuchen!) und wanderten entlang der bewaldeten Karwand auf den mit 1164 m höchsten Berg des Nordschwarzwaldes, die Hornisgrinde.

Das großflächige Hochplateau des Berges war bis 1997 nicht zugänglich, da es miltärische Sperrzone der französischen Luftstreitkräfte war. Hier oben steht der 23 m hohe Hornisgrindeturm, 1910 entstanden und 2005 der Allgemeinheit wieder zugänglich gemacht. Die verglaste (und im Winter geheizte) Kanzel bietet bei schönem Wetter den herrlichsten Rundumblick mit Blick auf Schwäbische Alb im Osten, Vogesen im Westen, und mit etwas Glück dem Alpenpanorama vom Gotthard bis zum Mont Blanc im Süden. Ein zweiter Aussichtsturm am Nordende des Plateaus, der Bismarckturm, ermöglicht Blicke über die Kuppen und Wälder des Nordschwarzwaldes.

Der größte Teil der Plateau-Fläche besteht aus einem – im Gegensatz zu den Grinden natürlich entstandenem – Hochmoor, das unter strengem Naturschutz steht und nur über wenige Holzbohlenpfade betreten werden darf. Auf der Ostseite fällt das Plateau abrupt und fast senkrecht ab zum Biberkessel (nichts für Nicht-Schwindelfreie) mit dem vollständig verlandeten Blindsee. Auf Tafeln wird hier die Entstehung des Moores erklärt und die besondere Fauna und Flora. Hier oben ist auch einer der letzten verbliebenen Lebensräume für den selten gewordenen und sehr scheuen Auerhahn. Der Bereich soll daher auch zur Erhaltung dieser schutzwürdigen Tiere in den späteren Nationalpark einbezogen werden.

Nach kurzer Beratung haben wir uns zur Planänderung entschlossen: ursprünglich war vorgesehen, über den Ochsenstall (Wanderheim) bis nach Unterstmatt weiter zu wandern. Die Zeit war jedoch schon soweit vorangeschritten, daß wir nicht sicher sein konnnten, den letzten Bus zurück zum Ruhestein noch zu erreichen. So sind wir also nach Umrundung des Hornisgrinde-Hochmooores auf der Ostseite über steinige Pfade wieder abgestiegen und zurück zum Seibelseckle gewandert, von wo wir nach kurzer Einkehr mit dem Bus wieder zurück zum Ruhestein gefahren sind.

Der Rückweg mit dem Auto über die Schwarzwaldhochstraße hat sich dann angeboten, am Lotharpfad einen Stopp einzulegen. Nach dem Orkan am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 blieb hier am Schliffkopf eine kilometerbreite Schneise der Verwüstung. Vier Jahre später wurde hier ein 800 m langer Lehr- und Erlebnispfad angelegt, der über Treppen, Brücken und Stege über und unter den umgestürzten Bäumen hindurchführt und die Macht der Natur sowohl zur Verwüstung als auch zur Wiederbelebung demonstriert.

Insgesamt war es eine sehr lehrreiche, abwechslungsreiche und aussichtsreiche Wanderung, die zu gegebener Zeit (zwecks Mokkagenuß an einem 11. Juli) wiederholt werden soll.

Gustav

P.S. Am 28. November 2013 stimmte der Landtag von Baden-Württemberg dem Gesetzentwurf zur Schaffung eines Nationalparks Nordschwarzwald zu. Damit verfügt Baden-Württemberg seit 01.01.2014 über seinen ersten Nationalpark.

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