Noch größere Draufgänger
17. Juni 2014
Nach einem Abstieg von rund 500 Höhenmetern war Thomas am Vorabend in Schierke eingetroffen, einem Luftkurort mitten im Harz. Der Regen, der ihn begleitet hatte, hatte alle Wärme von ihm abtransportiert, so daß Thomas doch sehr frierend in sein Zelt gekrochen war. Nach der Reinigung seiner Schuhe und der Entfernung aller Gräser und Samen aus seinen Socken konnte er dann in einem Gemeinschaftsraum den Zauberern der Nationalmannschaft beim 4:0-Sieg über Portugal zuschauen.
Dabei lernte er dann auch ein paar junge Leute kennen, die ihm imponiert hatten. Einer, der alle zwei Jahre eine große Fahrradtour unternahm, diesmal unterwegs vom Nordkap nach Sizilien. Und ein junges Pärchen, die vor einiger Zeit alles, was sie besaßen verkauft hatten, sich von diesem Geld die beste Fahrrad- und Outdoor-Ausstattung zugelegt hatten, die man bekommen kann, und so durch die Welt fuhren. Unabhängig und frei, keinem Rechenschaft schuldig, beneidenswert. Thomas mußte mit etwas Ernüchterung feststellen, daß es doch noch größere Draufgänger gibt als er.
Am Morgen gab es Startschwierigkeiten, nur mühsam kam Thomas aus seinem Zelt. Gerne hätte er erst mal seine Wäsche gewaschen, aber es war schon recht spät und das hätte zu lange gedauert. Auf die Gefahr hin, daß er eine auffällige Duftspur hinter sich herzieht, machte er sich wieder auf den Weg.
Der Weg führte ihn durch eine Märchenlandschaft durch das idyllische Bodetal, schließlich in den kleinen Erholungsort Tanne. An einem Haus mit Gästewohnungen wollte er nach einem Kaffee fragen, wo er dann auch prompt zum Kaffee eingeladen wurde, wofür nicht einmal Geld verlangt wurde.
Unterwegs traf er Geocacher, die ihn dann auch noch dazu überreden wollten, an der Harzer Wandernadel teilzunehmen. Dazu hätte er dann viele Stationen im ganzen Harz aufsuchen müssen, und sich jedesmal einen Wanderpaß abstempeln lassen, um am Schluß dann Harzer Wanderkönig zu werden. Leider paßte das nicht ganz in seinen Plan, Thomas verzichtete.
Die schöne Landschaft führte zum Schwärmen und Sinnieren über – na ja, so genau wissen wir das nicht. Jedenfalls hat Thomas dabei ganz vergessen, gelegentlich mal einen Blick auf sein Navi zu werfen und den Weg zu überprüfen. Als es ihm schließlich einfiel, mußte er feststellen, daß er schon fast zwei Kilometer in die falsche Richtung lief. Ärgerlich, das waren mit dem Rückweg fast vier Kilometer umsonst, die haben ihn keinen Schritt näher an die Zugspitze gebracht. Damit nicht genug: der Pfad durch dichte Wälder führte ihn einen steilen Hang hinauf, um plötzlich unvermittelt im unwegsamen Gelände zu enden.
Er hatte jetzt keine Lust mehr, nochmal zurück zu laufen und versuchte, weglos durch Gestrüpp und Unterholz wieder einen gangbaren Weg zu finden. Über schlammige Trampelpfade und einen steilen Geröllhang gelangte er schließlich an die Bahntrasse der Schmalspurbahn nach Ilfeld. Hier mußte er sich erst mal von Zweigen, Geäst, Steinen und Zecken befreien, ehe er den jetzt wieder gemütlichen Weg nach Osterrode fortsetzen konnte.
Am Campingplatz „Am Waldbad“ wurde er herzlich empfangen und mit allem versorgt, was er benötigte und sein Herz begehrte. Endlich mal wieder eine erfrischende Dusche, endlich mal wieder eine Waschmaschine und Trockner. Nur eine Badehose und eine Fleece-Jacke behielt er an, der ganze Rest an Kleidung kam in die Waschmaschine, das nötige Waschmittel bekam er von der netten Wirtin spendiert. Und während die Wäsche in der Maschine ihre Runden drehte, drehte Thomas ein paar Runden im zwar einfachen, aber sehr schönen Freibad.
Der Tag ist dann ausgeklungen mit angeregten Unterhaltungen mit dem Bademeister und beim leckeren Abendessen mit den Wirten und anderen Gästen des Campingplatzes.