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20. Tag: Veilbronn – Rödlas

Walburgis und die gute Fee

26. Juni 2014

Auch im Naturfreundehaus Veilbronn hat Thomas eine gute Nacht mit erholsamen Schlaf verbracht. Und auch wieder ein leckeres Frühstück bekommen. Zusammen mit der einmaligen Lage über dem Ort und dem Tal kann man das Haus wirklich jedem Wanderer empfehlen.

Bester Laune machte sich Thomas auf den Weg. Und hätte auch darauf bleiben können, wenn nicht ein Bedürfnis ihn dazu bewegt hätte, kurz mal ein paar Meter zur Seite zu treten. Dabei geriet er auf eine Böschung, und dort verlor er seinen Halt. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn nicht am Ende dieser Böschung der weit und breit einzige Tümpel gelegen hätte. Alles Rudern und Ausweichversuche waren erfolglos, der einzige Tümpel wurde zu seinem Tümpel. Tatsächlich handelte es sich um eine Schlammkuhle; wie Thomas danach ausgesehen hatte, muß jetzt nicht weiter beschrieben werden.

Verdreckt, verschlammt und verärgert setzte er seinen Weg fort. Bequem direkt an einer Bahnlinie entlang. Thomas konnte den ankommenden Zügen zuwinken, und freute sich, wenn der Zugführer ihm freundlich zurückgewunken hat. Der wird sich seines dazu gedacht haben…

In Kirchehrenbach kam er an der Metzgerei Trautner vorbei. Thomas bekam Appetit auf ein belegtes Brötchen und etwas zum Trinken und trat ein. Offensichtlich tragen die Kunden hier üblicherweise keinen Rucksack und Wanderstiefel und so erregte Thomas das Interesse der Verkäuferinnen. Jetzt mußte er erzählen und war bald von der halben Belegschaft und der restlichen Kundschaft umgeben, die ihm interessiert zuhörten. Und ganz nebenbei füllte die Chefin eine Tüte mit Wurst. „Mögen Sie Knoblauchwurst?“ „Ja, aber bitte, machen Sie sich bloß keine Umstände…“ Es half nichts, am Schluß mußte er die gefüllte Tüte mit allen Spezialitäten des Hauses entgegennehmen, dazu eine Flasche Silvaner. Sein Rucksack war um 1,5 kg schwerer geworden, dabei wollte er doch nur ein belegtes Brötchen.

Walburgis200Jetzt mußte er übers Walberla, ein markanter Tafelberg mitten in der Fränkischen Schweiz. Dort oben auf dem Plateau steht auf einem keltischen Kult- und Opferplatz die St.-Walburgis-Kapelle, ein Ort voller Mystik und geheimnisvoller Ausstrahlung. Davor befindet sich eine Bronzestatue der heiligen Walburgis, auf der vorbeikommende Menschen je einen eigenen Stein ablegen, der ihnen künftig Gesundheit und Glück sichern soll.

Beim Abstieg von der Walberla hatte Thomas ein einschneidendes Erlebnis: eine junge, hübsche Frau kreuzte seinen Weg. Barfuß war sie unterwegs, mit einem Stofftuch, in dem sich ihr ganzes Hab und Gut befand. Braun gebrannt, ledergegerbte Haut, man konnte ihr ansehen, daß diese Frau in der Natur lebte. Er sprach sie an und erlebte dann ein Feuerwerk an Energie und Lebensfreude. Sie erzählte ihm, daß sie alles was sie besaß, bei sich trug. Ihr Ziel war der Tag und das was er bringt. Schlafen unter dem freien Sternenhimmel, Tanzen im Regen, Leben von dem was die Natur ihr gibt. Unabhängig und frei, und dabei unendlich zufrieden und glücklich. Eine richtige Fee, zu schön, um wahr zu sein??

Thomas erinnerte sich, daß er noch eine ganze Tüte an Lebensmitteln mit sich trug, die er gerne mit ihr teilen wollte. Nein, keine Wurst, dafür haben doch andere Tiere sterben müssen… Aber sie bedankte sich bei ihm auf ihre Art: sie überreichte ihm eine Vogelfeder, eine von zweien, die sie besaß. Thomas war gerührt, diese Feder wird er nicht wieder her geben. Doch irgendetwas wollte er auch ihr mitgeben, er kramte in seinen Taschen und fand eine offene Tüte mit Kräuterbonbons. Er hätte ihr keine größere Freude machen können, sie sprühte vor Glück und Freude. Und dann gab er ihr noch einen Stein, mit der Bitte, diesen an der Bronzestatue vor der Kapelle für ihn abzulegen, wenn sie dort vorbei kommt.

Zum Abschied hatte die Frau dann noch ein Lied für ihn gesungen. Dieses Erlebnis erfüllte ihn selbst mit einem Maß an Glück, dass er sich schwor, diese Fee unbedingt in Erinnerung zu behalten, auch wenn er sie nie wieder in seinem Leben treffen wird.

An seinem Zielort Rödlas angekommen, fand Thomas nach einigem Suchen den Bauernhof, an dem er die Nacht verbringen wollte. Hier wurde keine intensive Landwirtschaft mehr betrieben, man lebte von der Kirschenernte und von Familien, die ihren Urlaub hier verbrachten. Leider war alles ausgebucht, aber zum Abendessen war er willkommen und man hatte auch kein Problem damit, wenn sich Thomas auf dem Gelände einen geeigneten Platz zum Zelten suchte. Thomas war es recht, an diesem denkwürdigen Tag hätte er gar nicht im geschlossenen Zimmer mit komfortablen Bett schlafen wollen; heute wollte er unter einem hohen Apfelbaum das Sternenzelt vorziehen.


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