Autobahnen, Alphörner und viel Eisen im Fels

Klettersteig-Kurs an der Brunnihütte

Pünktlich um sieben Uhr starteten wir hinter dem Rottenburger Bahnhof zum Klettersteigkurs in Richtung Schweiz. Hätte wir uns nicht im Autobahngewirr um Zürich verfahren, wären wir auch pünktlich auf die Minute am Treffpunkt in Engelberg eingetroffen. So musste unser Wahlschweizer und Lehrgangsleiter Benny leider fünf Minuten auf uns warten.

Wir, das war ein bunt zusammen gewürfelter Haufen aus fünf Klettersteiginteressierten, bei dem der älteste Teilnehmer vermutlich fast dreimal so alt war wie der jüngste Teilnehmer. Trotz des großen Altersunterschiedes verstanden wir uns alle sehr gut und verbrachten ein sehr kurzweiliges Wochenende miteinander. Für einen besonders hohen Unterhaltungswert sorgte die Tatsache, dass ein junges Paar doch tatsächlich so mutig war die eigene Mutter/Schwiegermutter mitzunehmen.

Den Aufstieg zu unserem Stützpunkt, der Brunnihütte, sparten wir uns aus Zeit- und Kraftgründen und unterstützen lieber den örtlichen Seilbahnbetreiber. Der etwas in die Jahre gekommene 2er-Sessellift spuckte uns dann zwar direkt neben der Hütte, aber auch Mitten im Massentourismus aus. Immerhin bekamen wir so ein paar Alphörner zu Gesicht und Gehör. Wir bezogen zunächst unser Quartier, dass sich in einer Nebenhütte, genauer gesagt im ausgebauten Dach eine Stalls befand. Dafür waren es vom Bett bis zum (Dixi)klo aber auch nur ein paar Schritte. Nachdem Benny uns die grundlegenden Dinge des Klettersteiggehens erläutert hatte, wollten wir auch direkt in den nahe gelegenen Brunnisteig einsteigen. Leider waren wir zehn Minuten zu spät dran. Wir mussten uns hinter eine gefühlt vierzigköpfige Gruppe einreihen, die aus Teilnehmern im Alter von ca. 5 bis 80 Jahren bestand. Immerhin hatten wir dadurch genug Zeit aus sicherer Entfernung zu Beobachten wie wir uns im Steig nicht verhalten sollten. Schließlich schafften wir es dann doch noch in den Steig (B/C) und letztendlich auf den Gipfel. Bei einem zweiten Durchgang arbeiteten wir dann an unserer Klettertechnik. Zwei besonders mutige Teilnehmer wagten sich anschließend noch in den Zittergrat, einen senkrechten bis überhängenden Klettersteig der Schwierigkeit C/D, der vermutlich genauso viel Eisen enthielt wie der Pariser Eifelturm.

Vor dem verdienten Abendessen musste die bereits erwähnte Mutter/Schwiegermutter dann noch vehement von ihrer Tochter davon abgehalten werden, in den vor der Hütte gelegene Härzlisee zu springen. Vermutlich war es die Ankündigung dies nackt, oder maximal in Unterwäsche bekleidet zu tun, die für besonders viel Unmut sorgte. Nachdem die schon erwähnte Riesengruppe das ganze Salatdressing für sich beansprucht hatte konnten wir immerhin noch den leckeren Hauptgang genießen. Auch wenn die Kombination von Nudeln, Bergkäse und Apfelmus für den ein oder anderen Nichtschweizer etwas überraschend und gewöhnungsbedürftig war.

Sonntagmorgen trafen wir uns um halb sieben zum Frühstück, in der Hoffnung dem angekündigten Regen davonlaufen zu können. Für den Tag hatten wir einen längeren Klettersteig im Schwierigkeitsbereich C/D geplant, der jedoch einen 1 ½ stündigen Zustieg erforderte. Unsere beiden älteren Teilnehmer verabschiedeten sich jedoch relativ schnell aus dem Zustieg, so dass wir nur noch zu viert aufstiegen. Der Weg führte uns über saftige Almwiesen, Geröll und im oberen Bereich über Altschneefelder. Am Einstieg angekommen beschlossen wir gemeinsam, dass es wegen des aufziehenden Regens keinen Sinn macht in den Steig einzusteigen und kehrten wieder um. Unsere bereits mehrfach erwähnten „Freunde“ sollte das schlechte Wetter natürlich nicht abhalten. Als wir wieder an der Hütte ankamen beschlossen wir zumindest noch einmal den Brunnisteig vom Vortag zu begehen. Kaum hatten wir die ersten Klettersteigsets ins Stahlseil eingehängt begann es auch schon zu nieseln. Auf dem uns inzwischen gut bekannten Steig konnten wir dann schnell feststellen, dass es eine gute Entscheidung war bei diesem Wetter nicht in den viel größerem Rigidalstock einzusteigen.

Gegen Mittag stiegen wir dann in Richtung Mittelstation der Bergbahn ab um die Heimreise anzutreten. Kurz vor dem Ziel musste der Autor dieser Zeilen dann leider feststellen, dass er seine Schuhe auf der Hütte vergessen hatte. Diese wurden am Vorabend noch raffiniert als Kulturbeutel benutzt und standen nun noch einsam vor der Toilette der Brunnihütte. Die Mitarbeiter der Bergbahn hatten zum Glück Mitleid mit dem armen Mann und ließen ihn wieder umsonst mit dem unüberdachten Sessellift nach oben, in Richtung Hütte, fahren. Selbstverständlich setzte genau in diesem Moment, der schon Stunden vorher befürchtete Starkregen ein. Immerhin konnten Schuhe und Zahnbürste wohlauf angetroffen werden.

Die anschließende Fahrt nach Rottenburg kam diesmal ohne einen Umweg bei Zürich aus, so dass wir pünktlich zum ersten WM-Spiel der deutschen Nationalelf wieder zu Hause waren. Dieses hatte sich bekanntermaßen, im Gegensatz zum tollen Klettersteigwochenende, jedoch leider nicht gelohnt.

Alexander Soutschek