Großes Paradies

Einsame Traumtouren im Nationalpark Gran Paradiso

Die vier Teilnehmer Daniel, Martin, Jochen und Sebastian waren schon sehr gespannt auf das das Tourengebiet, das Hubert Braun (Hubi) für dieses Frühjahr ausgewählt hat. Ohne Verkehrsprobleme erreichten wir nach knapp 6 Stunden das Aostatal. Bei noch etwas mäßigen Wetterbedingungen brachen wir am Nachmittag vom Colle San Carlo zu einer kleinen Eingehtour zum namenlosen Pkt. 2478 auf. Ganz kurz ließ sich das gegenüberliegende Montblanc-Massiv sehen, dann fuhren wir ab und erreichten wie geplant unser Quartier im Val di Rhêmes.

Das sehr einsame und steile Tal am Westrand des Gran Paradiso Nationalparks ist weitgehend unbekannt. Lediglich das Tourengebiet rund um die Benevolo-Hütte wird von Skialpinisten viel besucht. Mit unserem Quartier im Tal auf 1730m hatten wir zwar in den folgenden Tagen das kleine Handicap, unsere Ski die ersten 200 Höhenmeter tragen zu müssen, doch sollten wir dafür in großartiger Weise belohnt werden. Während der nächsten drei Tage trafen wir keine anderen Tourengänger und hatten Schneebedingungen vom Feinsten! Und das auf Abfahrten von bis zu 1500 Höhenmetern. Das Gespür von Hubi für die optimalen Mulden und letzten Schneefelder war wieder sehr beeindruckend.

Die erste Tour von Rhême führte hinauf Richtung Col di Sort (2964m). Aufgrund der heiklen Lawinenlage mit viel Triebschnee verzichteten wir auf die letzten 150 Höhenmeter und fuhren zunächst ab. Da die Abfahrtsbedingungen ideal waren und die Sonne immer mehr herauskam, wurde auf 2400 m nochmals angefellt und erneut aufgestiegen. Die schöne Abfahrt endete im schweren Nassschnee des Waldes, bevor dann die Ski endgültig wieder an den Rucksack geschnallt wurden.

Traumwetter nach kalter Nacht erwartete uns am nächsten Tag für den Aufstieg zur Cime Entrelor (3391m). Erneut war eine umsichtige Spuranlage erforderlich, denn die großen Lawinenabgänge der letzten Tage waren eindrücklich. Die abwechslungsreiche Landschaft und die tollen Blicke zur Montblanc-Gruppe verkürzten die 1600 Höhenmeter zum Gipfel. Trotz strahlender Sonne war es winterlich kalt aber das Panorama über Gran Paradiso und Walliser Alpen musste genossen werden.

Die folgende Abfahrt bot zunächst traumhaften Pulverschnee und weiter unten dann Firn vom Feinsten. Nur auf wenigen Höhenmetern genau dazwischen war der Schnee etwas heimtückisch, eine 4-5 Sterne Tour war das in jedem Fall! Nach der Relaxphase des Nachmittags wurden wir als einzige Gäste im Gasthof Galisia wie jeden Abend mit drei Gängen der heimischen Küche verwöhnt.

Für die nächste Tour zum Col Leynir (3084m) starteten wir am Parkplatz der Benevolohütte. Die ersten 300 Höhenmeter ging es mit Steigeisen durch ein Couloir hinauf, bevor uns ideales Skigelände des Vallone di Vaudaletta bis kurz vor die Scharte führte. Dort jedoch mussten wir erfahren, wie sich die Landschaft durch den Gletscherschwund stetig verändert. Die ehemals leicht zugängliche Scharte ist inzwischen nur durch eine Steilstufe erreichbar. Aufgrund der noch immer erheblichen Lawinengefahr verzichteten wir auf die letzten hundert Höhenmeter und genossen nach ausgiebiger Rast erneut eine traumhafte Abfahrt. Hubi fuhr sogar das Colouir ab, während die anderen den Abstieg mit Steigeisen bevorzugten.

Von Daniel und Sebastian verabschiedeten wir uns an diesem Nachmittag, sie wollten am 1. Mai ihren Verein unterstützen. Am Nachmittag kamen Steinböcke und Gemsen bis zum Dorfrand, der Nationalpark Gran Paradiso hat auch diesbezüglich viel zu bieten.

Am letzten Tag führte uns Hubi ins Skigebiet von Pila direkt oberhalb von Aosta. Über die längst geschlossenen Pisten erreichten wir nach 800 Höhenmetern das Bivacco Arno (2664m), das auf einer unbedeutenden Kuppe oberhalb der letzten Liftstation liegt. Der Blick von dort oben stellte jedoch alles in den Schatten, was wir bislang gesehen hatten. Das Panorama der 4000er reichte vom Gran Paradiso über Monblancgruppe und die ganze Walliser  Prominenz bis zum Matterhorn. Und 2000 Meter tiefer das frühlingshafte Aostatal, über das wir nach einer letzten tollen Abfahrt die Heimreise antraten.

Vielen Dank an Hubi für die tolle Auswahl der Touren und die routinierte Führung. Wer glaubt die Alpen seien überlaufen, der besuche die einsamen Täler der Gran Paradiso-Gruppe!


Termin: 27.April – 1.Mai 2019
Ausgangspunkt: Rhêmes-Notre-Dame
Organisation/Leitung: Hubert Braun
Teilnehmer: Martin Braess, Jochen Eberle, Daniel Seid, Sebastian Wütz
Bericht: Jochen Eberle

Karte: