Wo der Rennsteig Rennweg heißt
22. Juni 2014
Der Vorabend versprach noch heiter zu werden. Die Wirtin des Freizeitheimes hatte ihre Gäste in Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe mit ihrem eigenen Grillplatz, eigenem gefülltem Kühlschrank etc. Perfekt organisiert. Neben zwei Motorradfreunde-Clubs war noch eine Familiengruppe im Haus einquartiert, und eine vierte Gruppe wurde erwartet: eine Frauenpruppe auf Pilger-Wanderschaft. Und die Wirtin war der Meinung, daß das die richtige Mischung sei: Thomas und die Mädels.
Während die anderen bereits fließig am Grillen waren, wartete Thomas noch auf die Damen, aber bald darauf kam die Absage. Die Gruppe mußte ihre Pilgerung wegen eines Notfalls abbrechen. Aber auch die Familiengruppe, der Thomas dann zugewiesen wurde, bot ihm eine angenehme Gesellschaft bei einem üppigen Abendessen. All you can eat, mit Steaks, Thüringer Würsten, Salaten und Getränken. Und dazu auf einer Leinwand das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Ghana.
Die Nacht am längsten Tag des Jahres war kühl, im Heim lief die Heizung. Doch das Frühstück am Morgen war fürstlich, Unmengen von Obst, Säften, Wachteleiern; soviel kann ein Wanderer gar nicht schleppen. Und der ganze Spaß, nämlich Abendessen, Übernachtung und Frühstück war dann mit 36 € ausgesprochen preiswert.
Der Tag war dann einsam. Keine anderen Wanderer, keine Sonntags-Spaziergänger; merkwürdig, mitten in einer Ferienregion im Sommer. Ein verlassener Trabbi säumte seinen Weg, auf dem Dach liegend und alle Viere von sich gestreckt hatte der sicherlich schon bessere Zeiten erlebt. Der Weg wurde ein ständiges Bergauf und Bergab, insgesamt 980 Höhenmeter aufwärts kamen zur Strecke dazu (und 580 Meter Abstieg). Und der Weg war manchmal auch sehr schwer erkennbar, es kam immer wieder vor, daß er sich im Gestrüpp oder im Unterholz wiederfand.
So kam er schließlich nach acht Stunden Marsch in Neuhaus am Rennweg an. Rennweg, so heißt hier der Abschnitt des berühmten 170 km langen Thüringer Rennsteigs, wohl Deutschlands bekanntestem Weitwanderweg. Nach telefonischer Ankündigung wurde er in der Jugendherberge bereits erwartet und herzlich empfangen. Thomas muß das Mitleid der Gastgeber erregt haben, denn er bekam für die Nacht einen Vorzugsplatz in einem benachbarten Bungalow, weil am frühen Morgen eine Schulklasse erwartet wurde und dann sicherlich mit ausgelassenem Lärm zu rechnen war. Am Abend waren aber außer einem älterem Pärchen mit ihren Fahrrädern keine weiteren Gäste in der Herberge. Und die hatten mit Lärm nichts am Hut.
Thomas feiert heute sein persönliches Bergfest. 16 Tage ist er nun schon auf den Beinen; da er einen Tag bereits wett gemacht hat, ist das die Hälfte der voraussichtlichen 32 Tage. Und auch die magische Zahl von 500 Kilometern, die Hälfte der gesamten Wanderstrecke hat er heute überschritten. Jetzt gehts also nur noch bergab, das Ziel rückt näher.